Kommunikativ beeinträchtigt. Wenn ja, wie sehr?
Verliert eine ganze Generation durch den Einfluss digitaler Kommunikationsmittel ihre Kommunikationsfähigkeit?
Kommunikation ist ein komplexes Konstrukt aus Sprache, Tonfall, Lautstärke, Gestik, Mimik, Körperhaltung und vielen weiteren Facetten von nonverbaler und paraverbaler Kommunikation. Aber was, wenn Teile dieses komplexen Konstrukts verkümmern, verlernt oder nie gelernt werden, wenn zwischenmenschliche Kommunikation durch den Einsatz von digitalen Kommunikationsmitteln ersetzt, wenn persönliche Gespräche und das einander Verstehen „auf der Strecke bleiben“, werden unsere Kinder und Jugendlichen dann zu Autisten? Wächst eine Generation „kommunikativ Beeinträchtigter“ heran?
Sonja Gobara, Leiterin des Ambulatorium Sonnenschein, nennt im ORF Thema Beitrag vom 5. Oktober 2020 ein neues Krankheitsbild, den Pseudo-Autismus, ausgelöst durch exzessiven Handy- und Tablet-Konsum bei Kindern. Kinder, die in ihrem Therapiezentrum behandelt werden, zeigen vermehrt ähnliche Symptome wie Autisten, meiden Blickkontakt und zeigen wenig soziale Motivation mit dem Gegenüber in Kontakt zu treten. Digitale Medien vereinnahmen, weiß auch Georg Sojka, am Institut für Erziehungshilfe,
„wir beamen uns von der realen, allgemeinen Welt weg auf dieses eine Gerät, fokussieren uns stark und lassen uns nicht ablenken – und verlieren kommunikative Kompetenz,“
ist Sojka überzeugt. Er spricht weiter von digitaler Demenz, da das Gehirn sich verändert und findet, mit einem Schaden für die Gesellschaft, sehr drastische Worte, die diese Entwicklung beschreiben.
Ein leben "ohne" digitaler Medien ist kaum vorstellbar
Digitale Medien sind aus dem Alltag von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht wegzudenken. 98 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind online (DIVSI U25-Studie 2014), auch bei den Kindern sind es bereits 86 Prozent (DIVSI U25-Studie 2014). Online zu sein ist für Menschen unter 25 Jahren ein Synonym für das Verbundensein mit dem Kosmos des persönlichen Freundes-, Bekannten- und Familien-Netzwerkes geworden. Es wird kaum noch zwischen On- und Offline-Zeiten getrennt. Das Smartphone ist der Begleiter für alle Lebenslagen. Damit oder auch zusätzlich mit dem Tablet ist man ständig verfügbar, kann permanent auf diverse Nutzungs- und Kommunikationsmöglichkeiten zugreifen. Ein Leben „ohne“ ist für die meisten nicht mehr vorstellbar. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen werden Kurznachrichten als Kommunikationsform dem persönlichen Gespräch vorgezogen. (DIVSI U25-Studie 2015). Auch die Ergebnisse der BLIKK Studie zum Umgang mit elektronischen Medien bei Kindern und Jugendlichen zeigen teils signifikante Zusammenhänge auf der bivariaten Ebene zwischen einem erhöhten elektronischen Medienkonsum und der Beobachtung von einzelnen von den Eltern beschriebenen Entwicklungsauffälligkeiten (BLIKK Studie 2016).
Nonverbaler Anteil der Kommunikation ist unverzichtbar
Dass der nonverbale Anteil der Kommunikation aber nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, ist aus der Kommunikationswissenschaft sehr wohl bekannt, und dass die Stimmigkeit zwischen Inhalt und den nonverbalen Botschaften wesentlich zur gelungenen Kommunikation beiträgt. Unter anderem verstehen Watzlawick, Schulz von Thun und Luhmann Kommunikation als komplexes Konstrukt, das sich nicht nur der Sprache bedient. Das trifft sich auch mit dem Konzept der Stimmigkeit beziehungsweise Kongruenz bei Carl Rogers. Auch Bandler und Grinder verwenden das Modell der Kongruenz. Ausgesendet werden in der verbalen Modalität sowohl verbale als auch paraverbale Botschaften (was ich sage und wie ich es sage) und in der kinästhetischen Modalität sowohl Mimik als auch Gestik. Zwischen diesen verschiedenen Botschaften kann ein Beobachter nun eine Kongruenz oder eine Inkongruenz feststellen – wenn beispielsweise die Worte nicht zur Mimik passen. So wie Watzlawick argumentiert mit
„man kann nicht nicht kommunizieren“,
dass Kommunikation Verhalten sei. Und so wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man auch nicht nicht kommunizieren – und so hat im Beisein eines anderen jedes Verhalten auch einen potenziell kommunikativen Charakter. Dieses „Verhalten“ (und dessen kommunikativer Charakter), das sich in der Körpersprache zeigt, fehlt nachweislich durch den Einsatz von digitalen Kommunikationsmitteln.
In meiner Arbeit widme ich mich eben genau dem „Verhalten“, der Körpersprache, und dessen Fehlen bei digitaler Kommunikation.
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Mag. (FH) Silvia Faulhammer, MSc.
silvia.faulhammer@desenz.at
Literatur:
Faulhammer, Silvia (2022): Wie digitale Kommunikationsmittel die Wahrnehmungsfähigkeit, Körpersprache zu interpretieren, verändern. Generation digitaler "PSEUDO-AUTISTEN"? München: Grin Verlag
Weiter Quellen:
Deuze, Mark (2012): Media Life. Cambridge: Polity Press.
Höflich, Joachim R. (2016): Der Mensch und seine Medien. Mediatisierte interpersonale Kommunikation. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Krotz, Friedrich et. al. (2017): Mediatisierung als Metaprozess. Transformationen, Formen der Entwicklung und die Generierung von Neuem. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Krotz, Friedrich (2018): Medienwandel und Mediatisierung. Ein Einstieg und Überblick. In: Kalina, Andreas / Krotz, Friedrich / Rath, Matthias / Roth-Ebner, Caroline (Hrsg.): Mediatisierte Gesellschaften. Medienkommunikation und Sozialwelten im Wandel. Ba-den-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. S. 27-54.
Krotz, Friedrich (2019): Unter Mediatisierungsbedingungen: Der Mensch und seine Medien. In: Linke, Christine / Scholte, Isabel (Hrsg.): Soziales Medienhandeln. Integrative Perspektiven auf den Wandel mediatisierter interpersonaler Kommunikation. Festschrift für Joachim R. Höflich. Wiesbaden: Springer Fachmedien. S. 11-24. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27902-8_8 (28.09.2021).
Plate, Markus (2014): Grundlagen der Kommunikation. Gespräche effektiv gestalten. Göttingen: Verlag Vandenboeck & Ruprecht
Bildrechte & Fotocredit Blogbilder:
Neues Krankheitsbild "PSEUDO-AUTISMUS" | digitale Kommunikation | Quelle: ©wix
Medien von wix / © wix.com
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