top of page

Care-Arbeit: Unsichtbar seit Generationen – und warum Klarheit in der Kommunikation der Schlüssel ist

Es hat sich die Rolle der Frau als Arbeitskraft in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Wir arbeiten mehr, länger, vielfältiger. Wir sind in Branchen vertreten, die früher für Frauen verschlossen waren. Wir übernehmen Führungspositionen, gestalten Wirtschaft, Politik und Kultur aktiv mit.


Aber: Mit einer entsprechenden Veränderung der Rolle zu Hause ist das nicht einhergegangen. Bis heute nicht.


Foto: ©Fotografin Verena Schierl
Foto: ©Fotografin Verena Schierl

Arlie Hochschild hat schon 1989 in ihrem Buch "The Second Shift" beschrieben, dass Care-Arbeit – vor allem bei liierten Frauen mit Kindern – nach wie vor an ihnen hängenbleibt. Mehr als 30 Jahre später bestätigt die Forschung erneut: Care-Arbeit bleibt unsichtbar (vgl. Waldinger & Schulz 2024: 319). Sie war nie wirklich sichtbar, ist es nicht – und bis heute hat sich daran wenig geändert.


Warum Klarheit so schwerfällt


Viele Frauen kennen diesen inneren Konflikt nur zu gut: Sobald wir klar sagen, was wir brauchen, werden wir schnell als „hart“ abgestempelt. Wählen wir hingegen eine weichere Sprache, laufen wir Gefahr, nicht ernst genommen zu werden. Ein klassischer Double Bind – egal, wie wir es machen, es scheint verkehrt zu sein.


Dazu kommt der berühmte Mental Load: Wir jonglieren ohnehin schon mit To-Do-Listen im Kopf, mit Terminen, Care-Arbeit, Projekten und Erwartungen. Und obendrauf laden wir uns auch noch die permanente Rechtfertigung: Wir erklären, warum wir früher gehen, warum wir offline sind, warum wir nicht verfügbar sind – anstatt es einfach klar auszusprechen.


Kein Wunder also, dass so viele unserer Sätze anfangen mit:

„Ich gehe heute früher, weil das Kind krank ist … weil ich noch schnell … weil …“

Statt die Klarheit zu wählen, die so entlastend wäre:

„Ich gehe heute um 16 Uhr.“ Punkt.

Klarheit ist nicht Härte


Klarheit ist eine Haltung, keine Härte. Sie entspringt nicht dem Bedürfnis, sich durchzusetzen, sondern dem Mut, das Offensichtliche zu benennen – ohne Schnörkel, ohne Rechtfertigung. Wer innerlich geerdet ist, wirkt automatisch klar, ohne jemals hart zu sein. Härte ist meist nur ein Schutzpanzer, eine Rüstung, die wir uns anlegen, wenn wir uns unsicher fühlen. Klarheit dagegen ist offen, präsent und verbindend.


Der Unterschied lässt sich so zusammenfassen: Klarheit benennt, was ist. Härte bewertet. Klarheit schafft Raum, Härte schließt ab.


Und: Klarheit braucht im wahrsten Sinne des Wortes Haltung. Sie beginnt im Körper. Füße am Boden, Atem spüren, Standpunkt einnehmen. Das klingt banal, ist aber ein machtvolles Signal – nach innen wie nach außen. Wer Haltung zeigen will, braucht buchstäblich einen guten Standpunkt. Erst wenn ich selbst stabil stehe, kann ich klar und zugleich wertschätzend kommunizieren.


Konkrete Schritte in Richtung Klarheit


  • Mini-Übung vor Meetings: dreimal bewusst ausatmen, Füße auf den Boden, Sitzhöcker spüren.

  • Klarheitssätze üben: kurz, knapp, ohne „weil“ oder Weichmacher wie „eigentlich“, „vielleicht“, „im Prinzip“.

  • Rechtfertigungen stoppen: „Sorry, das war gerade viel Erklärung – eigentlich wollte ich nur sagen: Ich gehe um 16 Uhr.“


Strukturelle Dimension


Natürlich lässt sich das Thema nicht auf einzelne Formulierungen oder persönliche Strategien reduzieren. Sprache ist nur ein Teil des Puzzles. Die größere Herausforderung liegt in den Strukturen, in denen wir uns bewegen. Viele Unternehmenskulturen sind nach wie vor auf Dauerpräsenz und lineare Karrieren ausgerichtet – als gäbe es keine Unterbrechungen, keine Familienverantwortung, keine Care-Arbeit. Meetings werden oft nach Biografien gestaltet, die historisch männlich geprägt sind: Beginn früh, Ende spät, keine Rücksicht auf Bring- und Abholzeiten, geschweige denn auf das berühmte „Kind krank“-Szenario.


In solchen Kontexten wirkt Klarheit zunächst wie ein Bruch mit der Norm. Wer sagt: „Ich bin ab 16 Uhr offline“, irritiert. Aber genau diese Ehrlichkeit ist ein Gewinn – für Teams wie für Organisationen. Denn dort, wo Bedürfnisse klar benannt werden dürfen, entsteht Vertrauen. Und Vertrauen ist die Basis für Innovation, Zusammenarbeit und nachhaltige Leistung. Strukturen, die Klarheit aushalten, werden resilienter. Strukturen, die sie verhindern, verharren im Stillstand.


Sichtbarkeit zählt


Und schließlich die Frage: Sollen wir über Familie überhaupt sprechen?

Ich sage: Ja. Denn wenn Vereinbarkeit sichtbar und normal werden soll, braucht es Stimmen, die klar sagen: „Ja, ich bin Mutter. Und ja, ich bin Führungskraft.“


Darüber habe ich mit Ines Eschbacher und Susanne Holzer im Podcast "Vereinbarkeit Next" gesprochen: über Klarheit, Haltung, Kommunikation – und warum Care-Arbeit endlich sichtbar werden muss.


➡️ Reinhören lohnt sich!


Quellen:


Hochschild, Arlie (1989): The Second Shift.


Waldinger, Robert & Schulz, Marc (2024): The Good Life … und wie es gelingen kann. Erkenntnisse aus der weltweit längsten Studie über ein erfülltes Leben. München: Kösel-Verlag.

 
 
 

Kommentare


bottom of page